Fernsehkritik: „Geschäfte mit der Einsamkeit“ aus dem Themenabend „Liebe verzweifelt gesucht“ (arte)

Wovor ängstigt sich der moderne Mensch? Vor der totalen Singlegesellschaft! Keine Bange, in Deutschland leben schon 35 Millionen Menschen alleine und bald auch du. Wenigstens dürfte sich der gemeine Einsam-Deutsche damit zwar sehr alleine, aber als nichts Außergewöhnliches mehr fühlen. In dieser Dokumentation werden bierernst die drastischen Folgen geschildert, wenn man originäre, verpartnerte Ereignisse wie Buchgenickwurf, Streit um die inkorrekt ausgedrückte Zahnpastatube und Versöhnungsfick nur noch vom Hörensagen kennt. Wo ein Problem ist, da gründen sich in unserer Gesellschaft schnell Unternehmen, die exakt für unsere prekäre Obliegenheit seriöse Lösungskompetenz vorzuspielen versuchen. Sie leiden unter dem lost-penis-syndrom, weil ihr Geschlechtsorgan das passende Gegenstück vermisst? Das sind goldene Zeiten für professionelle Kuppler, die zielstrebig die Liebe zu ihrem Geld entdecken.

Die Thüringer Bankkauffrau Christine, die nach Hamburg zog, steht exemplarisch für die Tatsache, dass es aktuell zehn Millionen lost-vagina-syndrom-Befallende im Land der Dichter und Denker gibt. Am Sonntag, ohne Arbeit, fühlt sich Christine am einsamsten. Als weiblicher Yuppie-Single müsste Christine eigentlich beste Chancen auf Verkupplung via Internetportal haben, aber es klappt nicht. Christine registriert sich bei einer reinen Partnervermittlungsagentur, wo sie zunächst aufwendige psychologische Tests durchlaufen muss, um dann an den einen passenden Stecher zu gelangen. Christine trägt in der Freizeit ein T-Shirt mit der Aufschrift „Anlächeln erlaubt“, was bisher nicht den gewünschten Erfolg zeitigte. Wie wäre es mit einem Alternativ-T-Shirt-Spruch? „Immer sonntags bumsbereit“. Okay, okay, okay, war ja nur ein Vorschlag.

„Wir bieten für die Singlegeneration des neuen Jahrtausends die Möglichkeit, einen neuen Partner zu finden“, analysiert ein Singlebörsen-Vertreter und ihm geht das Marketinggewäsch ganz leicht über die Lippen. Der Marktführer der Online-Dating-Agenturen heißt Parship und hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von unglaublichen 57 Millionen gemacht, wobei das Unternehmen satte 17 Millionen gleich wieder in Werbemaßnahmen investierte.

Die Dokumentation widmet sich aber nicht nur den seriösen Anbietern der Szene sondern zeigt ein Beispiel aus Frankreich, bei dem ein Mann seine Moneten beim elektronischen Heiratsschwindeln verlor. Dabei schreibt eine Frau so lange schmachtende Liebesbriefe bis ihr der Opfer-Mann liebesangesteckt mehrere tausend Euro überweist, damit sie sich ein Flugticket kaufen könne, um zu ihm zu kommen. Was sich nach einem schlecht erfundenen Scherz anhört, funktioniert vereinzelt tatsächlich. Sagt das nun mehr über die Cleverness und Dreistigkeit der Betrügerin aus oder über die Naivität gewisser Männer, die darauf reinfallen?

Was gibt’s denn sonst noch so für Möglichkeiten? Esoterische Beratung via TV (treff ich bald mal meine Traumfrau?) oder Speed-Dating, bei dem in einem Raum Verkupplungsinteressierte jeweils wenige Minuten Zeit haben, um beim anderen Geschlecht für sich zu werben, ihn auszufragen und dann auf gegenseitige Sympathie zu hoffen. Und dann gibt es natürlich noch die gute, alte Kontaktanzeige. Und wenn sie sich nicht gefunden haben, dann suchen sie auch morgen noch.