Fernsehkritik: „Bondage, Lack, Leder – wenn die Lust zum Fetisch wird“ (RTL 2)

Verbergen sich hinter netten Nachbarn, freundlichen Freunden und drögen Drogeriefachverkäuferinnen womöglich heimliche Fetischisten? Leben Fetischisten in Höhlen, in Erdlöchern oder gar mitten unter uns? Wer wäre besser geeignet uns über moralische Abgründe und verwerfliche Sexpraktiken der Deutschen aufzuklären als der Fernsehsender RTL2? So spektakulär die Doku angekündigt wird, so bemüht, so sittsam, so langweilig kommt sie daher.

Der tätowierte Kinky-Beats-Partyveranstalter Ralf (40) beglückt uns zu Dokumentationsbeginn mit seiner Weisheit, dass es nichts über das Leben aussage, wenn jemand eine Lederjacke oder ein Latexhöschen schön fände. Dem wage ich zu widersprechen. Natürlich sagt es etwas über die Persönlichkeit aus wie sich jemand kleidet, was er mag und worin er sich wohlfühlt. Offenbar haben Ralf und ihre ebenfalls stark tätowierte Gefährtin Susanne (35) den Auftrag erhalten, vor der Kamera so zu schauspielern als ob just in diesem Moment der Discjockey für ihre nächste Sexparty abgesagt hätte. Die Regieanweisung lautete: über die Nachricht total in Panik geraten. Leider nur spielen sie ihre Rollen derart dilettantisch, dass sie damit jeden Kredit an Glaubwürdigkeit verspielen. Das ist deshalb so besonders schade, weil beide originelle, aufwendige Fetischpartys in Köln organisieren, unangepasste starke Persönlichkeiten sind und dies alleine hätte doch für eine interessante Reportage vollkommen gereicht. Warum darf das Paar nicht einfach authentisch bleiben? In der Folge sind wir Zeuge eines zeit- und aufwandsintensiven Fotoshootings, wobei er in eine Latexpolizeiuniform schlüpft und seine attraktive Frau verhaftet. Die Bilder sind ein bisschen erotisch, vor allem wecken sie Interesse, weil sie so originell daherkommen. Sie regen die Phantasie an. Das ist sehr gut gemacht.

Sarah (33) mag Fesselspiele. Sie hat sich bislang nur im Ehebett fesseln lassen. „Wenn die Stricke richtig sitzen und ich mich gar nicht mehr bewegen kann, das ist schon ein geiles Gefühl“, sagt die Bondage-Liebhaberin. Sie macht einen Termin bei Matthias (56), der der Bondage-Performer, der Fessler Deutschland ist. „Was wir jetzt hier eben gemacht haben ist die Zweiseiler Takate Kote, das ist die einfachste Version einer Oberkörperfesselung, die als Basis für eine Hängebondage dienen kann“, spricht der Meister und schnürt mit den Worten die zierliche Sarah wie ein Paket fertig. Die optische Wirkung ist enorm ansprechend wie bei den Bildern des Japanischen Fotogenies Nobuyoshi Araki. Dann wird Sarah an einer Art Flaschenseil in die Lüfte gehoben, sodass sie bewegungsunfähig zu fliegen scheint. „Das Hänge-Bondage war total geil“, urteilt sie denn auch hinterher. Und wenn es nur annähernd phantasiegemäß für sie war, wie es ausschaute, könnte man tatsächlich als Freund auf den Geschmack kommen. Wie wäre es mit dem Geschenk: „Schatz, heute fessle ich dich. Und da du Geburtstag hast, wirst du dich den ganzen Tag nicht bewegen können. Ich hab nämlich für dich gelernt, wie ich dich perfekt zähmen kann.“

Für Verkäuferin Manuela (39) sei ihr Latexfetisch ein Riesenausgleich für ihr ganz normales Leben, die ihre Leidenschaft mit ihrer Freundin, der Tänzerin Samira (25) teilt. In einer endlosen Einkaufsszene suchen sie sich neues Latexoutfit aus. Wer jemals mit seiner Freundin eine Jeans für sie einkaufen war weiß, welche Höllenqualen dabei ein Mann durchleidet. Diese Endlosprozedur zehnminütig geclustert sehen zu müssen, macht die Sache auch nicht angenehmer. Weshalb wir diese 0815-Frauen nun so ausführlich kennenlernen mussten, bleibt das unlösbare Geheimnis der Redakteure.

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